CDU Stadtverband Jever

Kommunale Wärmeplanung: Perspektiven für Jever

Ein Zwischenstandsbericht von Bruno Kasdorf

Die kommunale Wärmeplanung gewinnt zunehmend an Bedeutung, um die Energiewende effizient und nachhaltig voranzutreiben. Als integraler Bestandteil einer klimafreundlichen Infrastruktur ermöglicht sie es Kommunen, langfristige Strategien zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung zu entwickeln und umzusetzen.

Stv. Stadtverbandsvorsitzender Bruno Kasdorf. Stv. Stadtverbandsvorsitzender Bruno Kasdorf.

Nach unserer Informationsveranstaltung im Januar hat sich eine kleine Kerngruppe dem Thema „Energieautarkie für Jever“ gebildet, zu der auch immer wieder der Bürgermeister hinzukommt. Diese Gruppe hat sich intensiv mit Akteuren in der Region und darüber hinaus zum Thema „Energieautarkie“ ausgetauscht. In der letzten Woche haben wir beispielsweise die ENWELO GmbH (Energiewende Lokal) in Steinfurt und die Stadt Hörstel im Münsterland besucht. Hörstel ist ungefähr ebenso groß wie Jever und steht derzeit auch vor der Aufgabe eine Wärmeplanung vorzunehmen. Während in Jever diese Aufgabe von der EWE Netz durchführt wird, hat in Hörstel ENWELO die Planung übernommen. Drei Hauptphasen kennzeichnen diesen Prozess:
1. Bestands- und Potenzialanalyse:  Erhebung des Wärmebedarfs, Identifikation der Wärmedichte und Erfassung der bestehenden Infrastruktur, ergänzt durch die Analyse lokaler Energiepotenziale wie Solar- und Geothermie sowie Reststoffen aus der Landwirtschaft.
2. Konzeptentwicklung: Szenarienentwicklung unter Berücksichtigung der demographischen und städtebaulichen Entwicklungen. Dabei sollten Faktoren wie Wirtschaftlichkeit, Umweltschutz und regionale Wertschöpfung eine zentrale Rolle spielen.
3. Umsetzung und Betriebsmodelle: Die Gründung einer Energiegenossenschaft, wie sie für Jever bereits angedacht wurde, bietet sich als partizipativer Ansatz an. Dieses Modell ermöglicht den Bürgern, aktiv an der Gestaltung und Finanzierung der Maßnahmen mitzuwirken.
Ein lokales Wärmenetz besteht typischerweise aus mehreren Komponenten, die gemeinsam eine effiziente und nachhaltige Wärmeversorgung sicherstellen. Die wichtigsten Bestandteile sind:
1. Wärmequellen
- Blockheizkraftwerke (BHKW): Diese Anlagen erzeugen gleichzeitig Strom und Wärme, häufig mit Biogas oder Erdgas als Brennstoff.
- Wärmepumpen: Sie nutzen Umweltenergie (z. B. aus Luft, Wasser oder Geothermie) zur Wärmeerzeugung.
- Abwärmenutzung: Abwärme aus Industrieanlagen, Biogasanlagen oder anderen Prozessen kann direkt ins Netz eingespeist werden.
- Solarthermie: Solaranlagen liefern Wärme, die insbesondere im Sommer eine nachhaltige Energiequelle darstellen.
- Geothermie: Tiefe oder oberflächennahe Geothermiequellen dienen als konstante Wärmequelle.
2. Wärmeverteilung
- Leitungsnetz: Das Wärmenetz selbst besteht aus isolierten Rohrleitungen, die Wärme zwischen Erzeuger und Verbraucher transportieren. Es gibt Hoch-, Mittel- und Niedertemperaturnetze.
- Pumpenstationen: Diese sorgen für den erforderlichen Druck im Netz und ermöglichen den effizienten Transport der Wärme.
3. Speicherkomponenten
- Wärmespeicher: Thermische Speicher puffern überschüssige Wärme, die beispielsweise tagsüber durch Solarthermie oder nachts durch BHKW produziert wird, und machen sie zu späteren Zeitpunkten verfügbar.
4. Verbraucher
- Gebäudeanschlüsse:Diese verbinden das Wärmenetz mit einzelnen Gebäuden und enthalten Übergabestationen, die die Wärmeübergabe und Temperaturregelung sicherstellen.
- Anwendungen: Die Wärme wird für Heizung, Warmwasserbereitung oder industrielle Prozesse genutzt.
5. Steuerung und Überwachung
- Mess- und Regeltechnik: Digitale Steuerungssysteme optimieren die Wärmeverteilung und minimieren Verluste.
- Monitoring: Systeme zur Überwachung von Temperatur, Druck und Durchflussrate gewährleisten den zuverlässigen Betrieb.
6. Erneuerbare Energiequellen
- Wind- und Solarstromintegration: Überschüssige erneuerbare Energie aus dem Stromsektor kann über Power-to-Heat-Technologien ins Wärmenetz integriert werden.
Ein gut geplantes lokales Wärmenetz setzt auf eine Kombination dieser Komponenten, um eine nachhaltige, kosteneffiziente und zuverlässige Wärmeversorgung zu gewährleisten.
Erkenntnisse aus Steinfurt und Hörstel:
In beiden Fällen zeigt sich, dass die koordinierte und kontinuierliche Einbindung der Bürger entscheidend sind. Dazu sind regelmäßige Informationsveranstaltungen über den Fortgang der Planung erforderlich.
Darüber hinaus hat der Kreis Steinfurt hierzu vorbildliche Bürgerenergieleitlinien erarbeitet, die als Grundlage für die Akzeptanz und Mitwirkung bei Projekten dienen.
Diese Leitlinien verfolgen das Ziel, die Energiewende demokratisch, sozial und ökologisch umzusetzen, indem Bürger, Kommunen und lokale Unternehmen aktiv in Energieprojekte eingebunden werden. Einige zentrale Aspekte sind:
1. Bürgerbeteiligung:
- Bürgerwindparks und Solarprojekte fördern eine direkte finanzielle Teilhabe. Anwohner, Flächeneigentümer und die Gemeinde erhalten Priorität bei der Beteiligung, um lokale Akzeptanz zu sichern.
- Eine geringe Mindestbeteiligung (z. B. ab 1.000 Euro für Windprojekte) erleichtert die Partizipation.
2. Regionale Wertschöpfung:
- Mindestens 80 % des Eigenkapitals sollen aus der Region stammen, um lokale Wirtschaftskreisläufe zu stärken.
- Regionale Unternehmen und Stadtwerke werden bevorzugt in Planung, Bau und Betrieb eingebunden.
3. Transparenz und Fairness:
- Die finanzielle Beteiligung erfolgt transparent, mit klaren Kriterien für Windpachtmodelle und faire Vergütungen, die über alle Betroffenen verteilt werden.
- Zusätzliche Maßnahmen unterstützen Umwelt-, Arten- und Klimaschutz in den Standortkommunen.
4. Innovative Ansätze und Infrastruktur
- Wind- und Solarprojekte sind an Leitlinien für Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit gekoppelt. Sie fördern die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, lokalen Banken und Energiegenossenschaften.
- Der Kreis Steinfurt hat Strukturen wie die „Servicestelle Wind“ und den „Runden Tisch Windenergie“ geschaffen, um Expertise zu bündeln und Akteure zu vernetzen. Diese Ansätze haben dazu beigetragen, dass bereits zehn Bürgerwindparks mit rund 300 Millionen Euro Investitionsvolumen realisiert wurden. Sie dienen als Vorbild für andere Regionen und könnten auch in Jever angewandt werden, um lokale Energiewendeprojekte sozialverträglich und nachhaltig zu gestalten.
Die Leitlinien stellen sicher, dass lokale Interessen gewahrt und gleichzeitig eine breite Basis für Investitionen geschaffen wird. Solche Ansätze könnten auch in Jever implementiert werden, um die lokale Energieunabhängigkeit zu fördern.
Die Akzeptanz und Unterstützung der Bevölkerung sind entscheidend für das Gelingen der Energiewende. Genossenschaftsmodelle ermöglichen eine aktive finanzielle und organisatorische Beteiligung der Bürger, was nicht nur die Identifikation mit den Projekten stärkt, sondern auch wirtschaftliche Vorteile für die Teilnehmenden bringt.
Einbindung erneuerbarer Energien
Wie häufig zu beobachten, beginnen viele Kommunen mit dem Bau von Energieerzeugern wie Windkraft- oder Biogasanlagen. Diese Technologien sind auch für Jever essenziell, sollten können in eine übergreifende Strategie eingebunden werden. Der Aufbau eines Wärmenetzes kann dabei die Voraussetzung schaffen, erneuerbare Energiequellen effizienter zu nutzen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
Die kommunale Wärmeplanung ist eine Chance, nicht nur den Klimazielen näherzukommen, sondern auch die Lebensqualität in Jever zu verbessern. Durch den Austausch mit Vorreitern wie dem Kreis Steinfurt und der Stadt Hörstel können wir bewährte Praktiken übernehmen und an unsere spezifischen Bedingungen anpassen.