„Gedanken zum Volkstrauertag: Frieden, Freiheit und die Verantwortung einer wehrhaften Gesellschaft“
Der Volkstrauertag ist ein Tag des Gedenkens und der Besinnung – nicht nur an die Opfer von Krieg und Gewalt, sondern auch an die Werte, die unsere Gesellschaft tragen: Frieden, Freiheit und Demokratie. Doch gerade in diesen Zeiten der Unsicherheit müssen wir sorgfältig abwägen, welche Botschaften wir senden und welche Konsequenzen unsere Worte haben können.
In vielen Reden des diesjährigen Volkstrauertags wurde der Satz „Frieden ist alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“ zitiert – so auch bei uns in Jever. Doch dieser Gedanke greift zu kurz und birgt die Gefahr, eine passive Haltung zu fördern, die dem Wesen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung widerspricht. Der Philosoph Karl Popper mahnte einst, dass wir uns stets für die Freiheit entscheiden müssten, selbst wenn dies bedeutet, den Frieden zeitweilig zu gefährden. Denn Frieden ohne Freiheit ist Tyrannei – und damit kein wahrer Frieden.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland macht diesen Grundsatz unmissverständlich deutlich: Es stellt „Recht und Freiheit“ in den Mittelpunkt unserer Werteordnung – noch vor dem Frieden. Dies spiegelt sich auch im Treueeid der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr wider, die schwören, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Die Bereitschaft, für diese Werte einzustehen, unterstreicht die wehrhafte Natur unserer Demokratie, die nicht bereit ist, Frieden um jeden Preis zu erkaufen, sondern ihn durch Entschlossenheit und Standhaftigkeit zu bewahren.
Die Aussage von Bürgermeister Jan Edo Albers, dass Kriege „kein Kampf von Gut gegen Böse“ seien, mag als generelle Mahnung gelten. Doch darf sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sehr wohl Situationen gibt, in denen eine klare Haltung gegen Aggression und Unterdrückung erforderlich ist. Der gegenwärtige Krieg in der Ukraine führt uns dies in erschreckender Deutlichkeit vor Augen. Hier geht es nicht um geopolitische Machtspiele, sondern um den Überlebenskampf eines souveränen Staates und seiner Menschen gegen einen Aggressor, der das Recht auf Selbstbestimmung mit Gewalt auslöschen will. Unsere Unterstützung der Ukraine ist nicht nur moralisch geboten, sondern auch ein Zeichen dafür, dass wir bereit sind, für Freiheit und Demokratie einzutreten.
Landrat Sven Ambrosy hat zurecht betont, dass jeder Einzelne seinen Beitrag zum Frieden leisten kann. Dies darf jedoch nicht bedeuten, dass wir uns allein auf Dialog und Kompromisse verlassen. Die Europäische Union als Friedensprojekt und die NATO als Schutzgemeinschaft sind Beispiele dafür, dass Frieden oft auf der Grundlage von Stärke und Entschlossenheit gewahrt wird. Eine gut ausgerüstete und einsatzbereite Bundeswehr ist nicht das Gegenteil von Frieden, sondern dessen unverzichtbare Grundlage in einer Welt, in der Macht und Einfluss immer wieder neu austariert werden müssen.
Frieden ist kein statischer Zustand, den wir ein für alle Mal sichern können. Vielmehr ist er das Ergebnis harter Arbeit, kluger Politik und der Bereitschaft, Freiheit und Würde zu verteidigen – zur Not auch mit Entschlossenheit, Stärke und militärischer Gewalt. Dies sollten wir uns an einem Tag wie dem Volkstrauertag ebenso vor Augen führen wie die Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt.